06. An der Wette

Rund um diese Straßenkreuzung gruppieren sich Bank, Post, Friseursalon und Läden. Den Charakter eines Dorfzentrums hatte der Platz schon lange. Einst lag hier auch die „Wette“. Damit bezeichnet man den Dorfweiher, der häufig als Pferdeschwemme und zur Viehtränke diente, aber als stehendes Gewässer oft genug Anstoß erregte – auch in Nehren. So schreibt Friedrich August Köhler in seiner Dorfchronik von 1838:

„Die Wette, ein 30 Fuß tiefes Bassin, ist der Überrest des Schloßgrabens gegen den Wehrdt. Sie wird etwa alle 6 Jahre, wenn sie sich mit Schlamm ganz gefüllt hat, von demselben gereinigt und dieser als Dünger im Aufstreich verkauft, was der Gemeindekasse 60 – 70 fl. abwirft; aber die Fortdauer dieses Pfuhls wegen seiner schädlichen Ausdünstungen nicht rechtfertigen kann. Jedesmal wenn sie ausgeräumt ist, sieht man noch auf ihrem Grunde die Reste der aichenen Pfeiler und Balken der Brücke, welche über diese Wette in die vormalige Burg führte.“

Hier irrt Köhler: Nach neuestem Forschungsstand ist es sehr unwahrscheinlich, dass diese Eichenpfähle Reste eines Grabens der Weiherburg sind, ebenso wenig wohl Überbleibsel einer Brücke. Vielmehr könnten sie Teile früh- oder hochmittelalterlicher Pfostenbauten sein. Der einzige Zugang zur Weiherburg lag mit hoher Wahrscheinlichkeit nahe dem Gebäude Kappelstraße 15. Auch die Tiefenangabe der Wette mit 30 Fuß, das wären über acht Meter, ist mit einem großen Fragezeichen zu versehen.

Conrad Göhner als Lebensretter

Auch wenn die Wette keine acht Meter tief gewesen sein mag, ungefährlich war sie nicht: Am 6. Juli 1795 fiel ein Kind in den Teich. Nur dank Dorfschütze Conrad Göhner kam es nicht zum Schlimmsten. Er reagierte geistesgegenwärtig und zog das Kind aus dem Wasser. Hierfür erhielt er auf oberamtliche Weisung eine Belohnung aus der Gemeindekasse: „Da lezthin der Dorfschitz Göhner des Burgers Abraham Künkelens Kind aus dem Wasser wete (Wette) gezogen und es beim leben erhalten wurde nach oberamtl. Begehren dieser Verrichtung halber dem Schizen Göhner aus der Commun Caß zur Belohnung verwilligt 2 fl.“

Austrocknen und auffüllen!

Die Wette erfüllte in Zeiten, als es noch kein fließendes Wasser aus der Leitung gab, einen wichtigen Zweck, diente sie doch als Löschteich, um die Eimer zu füllen. Aber sie muss auch ein fürchterliches Mückenbrutnest gewesen sein und stank mitunter zum Himmel. Ein Ruggericht im Jahr 1840 beendet den Zustand:„Die Wette, total verschlammt und stinkend, für Feuerlöschzwecke nicht mehr zu gebrauchen. Beschluß, die Wette auszutrocknen und aufzufüllen.“

Abb. 1: Hauptstraße 2. Bei den Bäumen lag früher die Wette.

Abb. 1: Hauptstraße 2. Bei den Bäumen lag früher die Wette.

Hauptstraße 2:
Bäckerei, Wäscherei, Friseur

Das 1687 erbaute Wohnhaus war bis 1957 im Eigentum der Familie Erwin Dürr. Dessen Vorfahren, Johann Dürr und Sohn Sebastian, betrieben hier bis Ende 1922 eine Bäckerei. Erwin Dürr baute die Bäckerei 1939 in eine Mietwaschküche um, in der die Bevölkerung an sechs Tagen der Woche ihre Wäsche waschen konnte. Nachdem ab 1953 die Waschmaschine in den Haushalten Einzug hielt, wurde die Wäscherei im Laufe des Jahres 1953 geschlossen.

Landwirt Erwin Dürr verkaufte das Haus im Jahre 1957 an Friseurmeister Gerhard Goldak. Seitdem befindet sich in diesem Haus ein Friseursalon; nun bereits schon in der dritten Generation.

Abb. 2: Nehrens ganzer Stolz sind die herrlichen Fachwerkhäuser im alten Ortskern. Wer sie aufmerksam betrachtet, entdeckt an vielen von ihnen noch alte Hausinschriften, vor allem an den Fachwerkhäusern der Kappelstraße, Wertstraße und Hauptstraße sowie in der Hauchlinger Straße. Diese Inschriften erzählen von Bauherren und Handwerkern, halten das Jahr des Hausbaus und der Renovierung fest und bitten um Schutz vor Unglück. Ein sehr schönes Beispiel für eine Hausinschrift sehen wir an der Hauptstraße 2. Dort heißt es:<br /> „Dis Haus steht in Gotes Hand / Got behits vor Fir und Brand / Dis Haus steht an der Gass / Got gib das man uns / Mit Frieden darin las.“

Abb. 2: Nehrens ganzer Stolz sind die herrlichen Fachwerkhäuser im alten Ortskern. Wer sie aufmerksam betrachtet, entdeckt an vielen von ihnen noch alte Hausinschriften, vor allem an den Fachwerkhäusern der Kappelstraße, Wertstraße und Hauptstraße sowie in der Hauchlinger Straße. Diese Inschriften erzählen von Bauherren und Handwerkern, halten das Jahr des Hausbaus und der Renovierung fest und bitten um Schutz vor Unglück. Ein sehr schönes Beispiel für eine Hausinschrift sehen wir an der Hauptstraße 2. Dort heißt es:
„Dis Haus steht in Gotes Hand / Got behits vor Fir und Brand / Dis Haus steht an der Gass / Got gib das man uns / Mit Frieden darin las.“

Abb. 3: Mancherlei Inschriften, teilweise ergänzt durch Handwerkerinitialen, zeugen von der Sorge, aber auch vom berechtigten Stolz des Hausherren: „Es hat dieses Haus der damalige Schultheiß Josias Dürr und seine Hausfrau Anna Maria eine Nillin erbaut durch die Zimmerleut K. Krauß J. Böhm J. B. Böhm“ (Hauptstraße 34, direkt neben dem Rathaus).

Abb. 3: Mancherlei Inschriften, teilweise ergänzt durch Handwerkerinitialen, zeugen von der Sorge, aber auch vom berechtigten Stolz des Hausherren: „Es hat dieses Haus der damalige Schultheiß Josias Dürr und seine Hausfrau Anna Maria eine Nillin erbaut durch die Zimmerleut K. Krauß J. Böhm J. B. Böhm“ (Hauptstraße 34, direkt neben dem Rathaus).

Abb. 4: „Es ist mir ein Pfenging von Got besherd / ist beser verbaut als verzert“ (1671; Kappelstraße 5).

Abb. 4: „Es ist mir ein Pfenging von Got besherd / ist beser verbaut als verzert“ (1671; Kappelstraße 5).

Abb. 5: „Dis Haus steht auf eben Land / Gott behiet es vor Feir und Brand“ (1696; Kappelstraße 9).

Abb. 5: „Dis Haus steht auf eben Land / Gott behiet es vor Feir und Brand“ (1696; Kappelstraße 9).

Abb. 6: „Gott allein die Ehr sonst niemand mehr“. An diesem Haus befinden sich auch mancherlei Handwerkerinitialen. Schulmeister Johann Conrad Schneider (1791 – 1877) wurde in diesem Haus geboren (Hauchlinger Straße 41).

Abb. 6: „Gott allein die Ehr sonst niemand mehr“. An diesem Haus befinden sich auch mancherlei Handwerkerinitialen. Schulmeister Johann Conrad Schneider (1791 – 1877) wurde in diesem Haus geboren (Hauchlinger Straße 41).

Abb. 7: Wohnte das um ein Haar ertrunkene Kind im Gebäude Hauptstraße 2, wo heute noch der Name „Kinkelin“ zu lesen ist? Siehe: An der Wette – Conrad Göhner als Lebensretter

Abb. 7: Wohnte das um ein Haar ertrunkene Kind im Gebäude Hauptstraße 2, wo heute noch der Name „Kinkelin“ zu lesen ist? Siehe: An der Wette – Conrad Göhner als Lebensretter

Text: Herbert Hägele